VI. Die Hölle des Tasmanischen Teufels

Die grössten Beutegreifer Tasmaniens leiden unter einer unheimlichen und hochansteckenden Krebskrankheit. Wenn nicht bald ein Mittel dagegen gefunden wird, wird es in wenigen Jahren in der freien Wildbahn keine Beutelteufel (Sacrophilus harrisii) mehr geben.

Die australische Insel Tasmanien liegt südlich ihres riesigen Mutterlands. Sie wurde 1642 vom Holländer Abol Janzon Tasman entdeckt. 1777 nahm Capitain James Cook die Insel für die britische Krone in Besitz. Bis 1853 war die „Teufelsinsel der Südsee“ eine reine Sträflingsinsel der Briten. Vor der Ankunft der weissen Eroberer lebten in Tasmanien etwa 6000 Eingeborene in rund 70 verschiedenen Stämmen. Die Ureinwohner wurden von den Europäern drangsaliert, sexuell missbraucht und oft massakriert. Den Briten genügten wenige Jahrzehnte, um die Einheimischen restlos auszulöschen. Einige Historiker sprechen von einem Genozid. Doch die schlimmste Dezimierung der tasmanischen Aborigines wurde durch eingeschleppte Krankheiten verursacht, gegen welche die Ureinwohner keine Immunabwehr besassen. Der britische Missionar George Augustus Robinson sammelte 1830 die letzten Überlebenden ein und brachte sie in ein Reservat auf Flinders Island. Mit dem Tod von Truganinni starb 1876 die letzte reinrassige Tasmanierin.

Da die Verbindungsbrücke zum australischen Festland nach der letzten Eiszeit überflutet wurde, konnte sich auf der Insel eine isolierte endemische Fauna und Flora entwickeln. Die Landschaftsbilder wechseln sich kleinflächig ab. Es gibt bemooste Regenwälder und karge Gebirgslandschaften, sumpfige Flussauen und saftige Weideflächen mit vielen Rindern, liebliche Weinregionen, aber auch kahlgeschlagene Eukalyptushaine und Mondlandschaften als Folge eines zerstörerischen Bergbaus. Auf etwa der gleichen Fläche wie der Schweiz leben in Tasmanien heute rund 500‘000 Einwohner.

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Tasmanischer Bergregenwald im Cradle Mountain Nationalpark 
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Berglandschaft mit Korallenfarn, ein Lebensraum der Beuteltiere     

Nächtliche Beobachtung der Wombats

Eigentlich wollten wir im Cradle Mountain Nationalpark im Zentrum Tasmaniens die Nacktnasenwombats (Vombatus ursinus) beobachten. Diese putzigen Erdbewohner ähneln äusserlich sehr stark einem übergrossen Alpenmurmeltier, deren Verhalten und Territorialität wir 1974 im Gornerental in der Urner Gemeinde Gurtnellen während fünf Monaten beobachtet und studiert hatten. Wombats leben ebenfalls unter der Erde, in bis zu 20 m langen selbst gegrabenen Gängen. Ihre Körperform ist derjenigen der Murmeltiere recht ähnlich. Die harmlosen Pflanzenfresser sind jedoch keine Nagetiere sondern Beuteltiere. Um die Jungen beim Buddeln und bei der Fortbewegung in ihrem Bau zu schützen, schaut ihre Beuteltasche nach hinten statt nach vorne. Obwohl Wombats vorwiegend nachtaktiv sind, konnten wir im Nationalpark trotz Regens viele Tiere antreffen.

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Nacktnasenwombat bei der nächtlichen Futtersuche 
Fleischfressende Beuteltiere im Stress

Im Anschluss an eine nächtliche Tierexkursion mit einem erfahrenen Parkwächter besuchten wir eine Pflege- und Aufzuchtstation für einheimische fleischfressende Beuteltiere. Es sind dies der Östliche Beutelmarder (Dasyurus viverrinus) und der Beutelteufel oder Tasmanische Teufel (Sarcophilus harrisii). Der Beutelmarder ist der Konkurrenz eingeschleppter Füchse und verwilderter Katzen nur schwer gewachsen. Seine Bestände sinken stetig. Noch viel schlimmer steht es um den Tasmanischen Teufel. Eine geheimnisvolle und hochansteckende Krebskrankheit hat in kurzer Zeit sein Überleben in der Wildnis in Frage gestellt. Die Krankheit Devil Facial Tumor Disease (DFTD), welche mit Bläschen und Geschwüren in der Mundregion beginnt, überzieht bald den ganzen Körper und tötet die Tiere nach 3 bis 5 Monaten. Die Krankheit breitet sich in Tasmanien von Osten nach Westen aus. Tiermediziner und Pharmazeuten stehen vor einem Rätsel und suchen bisher erfolglos nach einem Mittel gegen diese Krebsart.

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Östliche Beutelmarder im Cradle Mountain Nationalpark 

Der Tasmanische Teufel trägt seinen Namen zu Unrecht. Bis vor wenigen Jahren kam er auch auf dem australischen Festland vor. Doch das Einschleppen von Füchsen und Katzen machte dem Raubtier dort den Garaus. Ein spezielles Verhalten zeigt sich beim Streit um die Beute. Mit den Zähnen wird der Artgenosse bedroht. Das Tier setzt die Zähne beim Zanken um die besten Futterhappen erfolgreich gegen artgleiche Konkurrenten ein. Dies erklärt auch das hohe Übertragungsrisiko der Infektionskrankheit. Auch Angst und Aufregung führen zum bedrohlichen Zähnezeigen. Dies hat ihm wohl den üblen Ruf und den ehrschädigenden Namen eingetragen. Der Beutelteufel  ist gegenüber dem Menschen jedoch ein harmloses Tier. Er ist ängstlich und droht mit den Zähnen nur im Stress. Der Pfleger kann den hundeähnlichen Beutler in der Tierstation gefahrlos auf die Arme nehmen.

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Zwei Beutelteufel streiten sich um ein Stück Fleisch  
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Ein tasmanischer Teufel wird vom Tierpfleger auf dem Arm gehalten  

Wo bleibt der Teufel?

Der Strassenrand in Tasmanien gleicht zuweilen einem Schlachtfeld. Tote Kängurus, Wombats, Wallabies, Filander und andere Kleinbeutler liegen sehr häufig am Strassenrand. Über 2000 Beutelteufel werden auf Tasmaniens Strassen jährlich überfahren. Im „Roadkill Projekt“ probiert man jetzt herauszufinden, wie stark der Verkehr zur Dezimierung der Tiere beiträgt. Die Autolenker sollen die Unfälle möglichst mit Fotos einer Zentralstelle rapportieren. Das einst grösste einheimische Raubtier, der Beutelwolf (Tasmanischer Tiger oder Thylacine), wurde bereits im letzten Jahrhundert durch den Menschen gnadenlos verfolgt und schliesslich ausgerottet. Es gibt jedoch immer wieder Meldungen, dass Tiere im Urwald gesichtet wurden. Ergeht es dem Beutelteufel bald wie dem Tasmanischen Tiger? Beelzebub ist gerade daran, den gebeutelten Teufel aus seinem letzten Refugium zu vertreiben.

(erschienen im Urner Wochenblatt Nr.16 vom Samstag 2. März 2013)

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