VIII. Risse im pazifischen Feuerring

Der pazifische Feuergürtel bildet ein Hufeisen von der Westküste Amerikas über Japan, Westchina, Indonesien und die Philippinen bis nach Neuseeland. Da die festen Kontinente auf der flüssigen Erde herumdriften, kommt es an Schwachstellen zu Erdbeben, Vulkanausbrüchen und geothermischen Eruptionen, so auch im Kiwiland.

Die zwischen 8 km und 80 km dicke Erdkruste ist in mehrere Platten unterteilt, die wie riesige Eisschollen ständig ihre Lage verändern. Zwischen Australien und Neuseeland brach vor etwa 200 Millionen Jahren eine solche Scholle auseinander. Neuseeland wurde vom Meeresboden in die Höhe gehoben. Die Witterung schliff das Land und zerfurchte es. Heute ragen nur noch Reste dieser Landmassen als Inseln aus dem Meer. Erst nach der letzten Eiszeit vor 12‘000 Jahren erhielt Neuseeland seine jetzige Form.    

Riesige Verwerfungen beim Cape Kidnappers

Napier auf der neuseeländischen Nordinsel ist eine Stadt mit rund 55‘000 Einwohnern. Sie wurde 1931 durch ein Erdbeben der Stärke 7,9 auf der Richterskala und eine anschliessende Feuersbrunst fast völlig zerstört. Es gab 265 Tote. Auch die Nachbarstadt Hastings fiel damals in Schutt und Asche.
Im von einem Traktor gezogenen Anhänger fahren wir auf dem Strand den Klippen entlang zum Cape Kidnappers. Der seltsame Name stammt aus der Entdeckerzeit von James Cook. Lokale Maoris sollen hier einen Schiffsjungen der „Endeavour“ entführt haben. Asche- und Braunkohleschichten bilden markante zerbrochene Linien im hellen Sand- und Kalkstein. An den steilen Klippenwänden kann man die riesigen Kräfte erkennen, welche tektonisch am Werk sind. Die Indisch-Australische Platte reibt sich hier an der Pazifischen Platte. Diese wird hochgehoben und kann dann einbrechen. Die grösste prähistorische Verwerfung beträgt an dieser Stelle rund 11m. Beim Erdbeben von 1931 wurde der Meeresgrund um 2m angehoben.

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Eindrückliche Verwerfung (Erdbruchlinie) beim Cape Kidnappers
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Der Mount Taranaki ist ein kegelförmiger Vulkan im Westen von Neuseeland  

Der Ort der schlechten Düfte

Die Kleinstadt Rotorua heisst auf maorisch  „Ort der schlechten Düfte“. Tatsächlich stinkt es bei unserer Ankunft schon in den Aussenbezirken nach Schwefel und Schwefelwasserstoff (faulen Eiern!). Die Erdkruste ist hier besonders dünn, die thermische Aktivität entsprechend gross. Überall dampft es, so auch aus Sickerdohlen und in privaten Gärten. Das heisse Wasser wird seit jeher zum Baden und Kuren genutzt. Der Cosy Thermal Holiday Park direkt am Lake Rotorua hat nicht nur eigene Thermalquellen und einen Naturdampfofen zum selber kochen (Niedergarmethode!), es dampft auch in der benachbarten Zone in blubbernden Löchern und Gräben sowie am Seeufer. Dies ermöglicht dort das Wachstum von verschiedenen Algen und Bakterien, welche das Wasser bunt färben. 

Vulkane, Geysire und brodelnde Schlammpfannen

Beim Abtauchen von Erdmaterial an den Bruchzonen der Platten wird Gestein erhitzt und schliesslich geschmolzen. Dieses Magma kann wieder aufsteigen und in einem Vulkan freigesetzt werden. Als geologisch junger Vulkan steht der 2581 m hohe Mount Taranaki markant an der Westküste der neuseeländischen Nordinsel. Er soll erst vor 135‘000 Jahren aktiv geworden sein und brach 1854 zum letzten Mal aus. Der kegelförmige Berg ist meist in Wolken gehüllt. Wir haben jedoch Glück und können ihn in seiner ganzen Pracht bewundern.

Ebenfalls eindrücklich ist ein Besuch in Te Wairoa, dem „Buried Village“. Das Dorf wurde am 10. Juni 1886 beim Ausbruch des Vulkans Tarawera unter Schlamm und Asche begraben. 120 Leute verloren dabei ihr Leben. Im angegliederten Museum werden die Umstände von damals geschildert. Die grossen Sinterterassen „Pink Terrace und White Terrace“ am nahen Lake Rotomahana, welche als „Achtes Weltwunder“ Touristen aus aller Welt anlockten, wurden bei der Eruption komplett zerstört. Der Vulkan Tarawera am Ende des gleichnamigen Sees ist seit dem grossen Ausbruch gottlob zumindest im Standby-Modus.
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Der Lady Knox Geysir in Waiotapu

Die Gegend von Waiotapu wird als Wunderland der heissen Quellen angepriesen. Der grösste Geysir von Neuseeland, der Lady Knox Geysir bricht jeden Tag pünktlich um 10:15 Uhr aus. Darauf können sich die vielen Besucher verlassen, denn dem Naturschauspiel wird mit einer Lauge beim Starten nachgeholfen. Den Trick hat man früher zufällig beim Waschen von Kleidern entdeckt. Er vermindert die Oberflächenspannung des kalten Wassers, welches über dem heissen Wasser liegt. Das Mischwasser von heiss und kalt schiesst dann bis zu 20 Meter in die Höhe. Nach der diesjährigen langen Trockenheit hat sich die Dauer des Ausbruchs von über einer halben Stunde auf etwa 2 Minuten reduziert.

Im Zentrum der geothermischen Felder von Waiotapu stehen die Farben. Das gelbe Teufelsbad wird durch Schwefel und zahlreiche andere Elemente gefärbt, so durch Mangan, Arsen, Eisen, Kohlenstoff, Aluminium und Silizium. Weitere bunte Kaleidoskope sind „Die Palette der Künstler“, ein „Champagnerkrater“ und ein brodelnder Schlammteich.

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Der Champagnerteich in Weiotapu

Im  Waimangu Volcanic Valley finden wir ebenfalls Zeugen der geothermischen Tätigkeiten. Das Aufstossen von Gasen bringt den Bratpfannensee zum Blubbern. Bunte Mikrobenmatten, auskristallisierte Buntmetallsalze und Schwefelkristalle, weisse Kaolin- und Sinterablagerungen, verkohltes und abgestorbenes Holz erschaffen eine faszinierende Märchenwelt.

Lichtblicke nach der Tragödie von Christchurch

Die Südmetropole Christchurch wurde am 4. September 2010 durch ein heftiges Erdbeben der Stärke 7,1 erschüttert. Da das Beben frühmorgens passierte, gab es in der zweitgrössten Stadt Neuseelands lediglich zwei Schwerverletzte. Am 22. Februar 2011 verloren bei einem weiteren Beben der Stärke 6,3 mittags um 12:51 Uhr jedoch 185 Menschen ihr Leben. Viele Kulturdenkmäler stürzten zusammen, darunter auch die berühmte Kathedrale. Rund 70‘000 Bewohner verliessen in der Folge die Stadt freiwillig oder gezwungenermassen. Viele Leute wohnen während den Wiederaufbau- und Renovationsarbeiten in umliegenden Motels oder in kleinen Häuschen auf Campingplätzen.

Der Besuch von Christchurch hinterlässt ein bedrückendes Gefühl. Die Innenstadt ist immer noch ein Feld von Trümmerruinen. Dazwischen stehen zahlreiche Baukräne. Man spürt zwar den Willen, sich nicht unterkriegen zu lassen. Doch die Baukosten steigen ständig an. Der unstabile Untergrund und vielleicht auch „Katastrophenpreise“ dürften dabei eine treibende Rolle spielen.

Das angelaufene Projekt heisst Re-START. Ein Puzzle von bunten Containern bildet ein „neues Quartier“ in der City. Man wird eingeladen, dort zu verweilen und die neuen marktähnlichen Läden zu besuchen. Zwischen den Modeboutiquen sind kleine Cafés eingenistet. Meter um Meter wird die noch abgesperrte „Rote Zone“ der Innenstadt verkleinert. Man nutzt jetzt auch die Chance, erdbebensicher zu bauen. Der letzte Ruck war kein Erdstoss, sondern eine Welle der Solidarität. Auf den Aufruf, Ideen zum Wiederaufbau einzubringen, erhielt die Stadtverwaltung 106‘000 Zuschriften. Die Beben konnten also auch die Menschen erschüttern, oder zumindest wachrütteln.

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Erdbebenruinen in der Innenstadt von Christchurch

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ReSTART in den Containern von Christchurch

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